Sonntag, 24. Februar 2013

Interview mit Selbstentleibung


Heute werde ich ein Interview mit der österreichischen Suicidal Depressive Black Metal Band "Selbstentleibung" führen, welche sich 2006 gründete und die Szene seitdem mit 2 Alben bereicherte.
Erstmal vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, unsere Fragen zu beantworten.


Nachdem ihr euch 2006 gegründet habt, gab es bis heute eine ständig wechselnde Bandbesetzung. Uns interessiert natürlich, ob und wenn ja, welche Gründe es dafür gab! Seit wann ist eure Besetzung nun fest und vor allem, wird sie so bleiben oder kann man in naher Zunkunft wieder damit rechnen, dass ihr euch neu formiert?

Natürlich gibt’s für solch Entscheidungen immer auch Gründe. In den Anfängen zwischen 2006 und 2008 war Selbstentleibung noch ein loses Geflecht an oft wechselnden Musikern mit Sänger Tötung als einziger Konstante. Erst im Jahre 2008 wurde das Ganze als Dreigespann mit Hrodgar an der Gitarre und Ördögver am Schlagwerk zu einer konstant bestehenden Band, welche auch in dieser Besetzung den Erstling „Emotionale Endstation“ geschrieben hat. Danach gab es eigentlich kaum noch Besetzungs“wechsel“ (der einzig gravierende sollte mein Einstieg 2009 anstelle von Hrodgar sein) sondern viel mehr wurde nach ungefähr einem Jahr damit begonnen die Band personell zu erweitern um sowohl im Studio als auch vor allem live mehr kompositorische Möglichkeiten zu erhalten. Diese Phase zog sich bis vor nun bald 2 Jahren; seither sind wir komplett und sehr zufrieden mit dieser Zusammenstellung, denn wir wurden durch viele gemeinsame Erlebnisse zu einer Einheit und werden dieses Lineup, wenn möglich, auch noch lange Zeit beibehalten.


In einigen Interviews wurde beschrieben, dass bei euch nicht nur Musik im Vordergrund steht, sondern auch veranstaltungstechnische Planungen vorgenommen werden. Welche Veranstaltungen, die ihr organisiert, stehen uns demnächst noch bevor? Mit welchen Bands ist ggf. zu rechnen?

Das ist richtig, ich fungiere zum Großteil in Wien über meine Booking- und Management-Agentur „A Dying Spirit“ auch ein paar mal im Jahr als Konzertveranstalter, was allerdings genau genommen überhaupt nichts mit meiner Funktion bei Selbstentleibung oder mit meinen Bandkollegen dort zu tun hat, ist also eher eine Off-Topic Frage, daher kurz und bündig:
Heuer veranstalten wir unser einziges Selbstentleibung Wien-Gastspiel zusammen mit Nocte Obducta und 4 weiteren großartigen Bands am 11. Mai. Weiters schmeißen wir am 25. Oktober in Kooperation mit dem Phantoms of Pilsen Festival das TULSA:BEER:FEST 2013 mit Aura Noir, Tulsadoom und weiteren Gästen, sowie gegen Ende des Jahres ein Konzert für unsere deutschen Kumpel BlackShore + Temple of Baal und Support.


Selbstentleibung hat bisher auf einigen Festivals Präsenz gezeigt. Mitunter das "Dunkelheit Festival" oder das "Hell Fast Attack". Auch Konzerte gab es schon einige und viele werden hoffentlich noch folgen. Wird es 2013 zu Festivalauftritten und Konzerten kommen? Wenn ja, wo?

Bereits fix ist für 2013:6. 3. Jugendhaus, Erlenbach am Main (GER)7. 3. Club from Hell, Erfurt (GER)8. 3. Blackland, Berlin (GER)9. 3. VFFR, Großerlach (GER)11. 5. Escape, Wien /w Nocte Obducta18.-20. 7. Darkmoon Festival (Sachsen/GER) 12. 10. Under the Banner of the Black Light Festival (AUT)/w Archgoat, Acheron, Gehenna,...25. 10. Phantoms of Pilsen Festival (CZ) /w Aura Noir, Endstille, Koldbrann, Fen,...
Einige mehr sind bereits im Gespräch, es kommt laufend was dazu, unter anderem ist noch eine kleine Tour (CZ/GER/NED) im Spätherbst im Gespräch. Unser Booking wird seit einigen Wochen von Black Light Music verwaltet, interessierte Veranstalter mögen sich bitte an martina.panzenbaeck@black-light-music.com wenden.


Liveauftritte..., die ganzen Gesichter und Kreaturen vor euch. Was denkt ihr, wenn ihr diese wärend der Show anseht?

Ich denke da geht in jedem etwas anderes vor. Mir selbst fällt selten jemand bewusst auf... wenn dann sind es entweder Personen die mich mit ihrer offensichtlichen Hingabe beeindrucken oder extrem nervige Leute, wovon es leider zu viele gibt! Auf der Bühne zählt allerdings nur die Musik und die Energie des Momentums, da scheren mich keine kleinen Pisser oder sonst jemand vor der Bühne, es sei den jemand hat seinen rechten Arm nicht im Griff oder Ähnliches, was leider im Osten unter manchen Leuten zur Volkssportart aufgestiegen zu sein scheint... absolutes No-Go, solche Idioten können sich gleich gemeinsam mit den gegenteiligen Spinnern die uns im braunen Licht sehn vom Gelände verziehn und sich von mir aus draußen gegenseitig die Fresse einschlagen!Es finden sich allerdings in jedem Publikum ein paar Leute, die es wert sind eine gute Show zu liefern, da spielt es keine Rolle, wenn der Rest der Menge menschlich gleichwertig mit Durchschnittsbesuchern einer versifften Proleten-Disco sind. (Black) Metal zu hören macht keinen Menschen automatisch wertvoller!


Bleibt eigentlich noch Freiraum um auszuspannen, bzw Privatleben, oder setzt ihr alles in den Hintergrund und konzentriert euch nur auf die Band?

Natürlich hat jeder seinen Freiraum. Wir alle sind berufstätig oder studieren und auch für Freundinnen, Hobbies etc. bleibt noch Zeit. Auch wenn die Musik einen mächtigen Stellenwert hat, wäre es äußerst Kontraproduktiv sein Leben nur auf diese eine Nische zu beschränken, darunter würde nicht nur die Musik selbst leiden (erst das Leben da draußen liefert uns den Stoff aus dem wir unsere Songs schmieden!), es wäre sogar auf Dauer unmöglich eine Band erfolgreich zu betreiben! Wer nicht mit beiden Beinen im Leben steht verliert bald den Boden unter den Füßen, so muss sich jeder darum kümmern die nötige finanzielle und emotionale Lebensgrundlage aufrecht zu erhalten um sich letztendlich wirklich intensiv auf das konzentrieren zu können, was uns als Jugendliche einst fesselte und nie wieder losließ: das Vertonen unserer Emotionen, Aggressionen und Erfahrungen.


Mich, bzw auch unsere Leser würde es brennend interessieren, welche Bands euch inspirieren.Mit welchen davon würdet ihr gern zusammen arbeiten und wer begeistert euch besonders?

Wir orientieren uns im Songwritingprozess niemals bewusst an anderen Bands sondern versuchen von Song zu Song kleine Elemente zu integrieren die für uns neu sind bzw. uns fordern. Dadurch ergibt es sich, dass einzelne Teile sicherlich an andere Bands erinnern, da wir ja das Rad nicht neu erfinden, allerdings dürfte es durch die immer noch anhaltende Ideenvielfalt und Offenheit für Neues im Gesamtbild unserer Songs schwierig sein uns ernsthaft mit einer einzigen anderen Band konkret zu vergleichen.
Wir arbeiten laufend mit einigen befreundeten Bands in ganz Europa zusammen, welche wir großteils nicht nur persönlich sondern auch musikalisch schätzen, allerdings beeinflussen wir uns gegenseitig wohl kaum bis garnicht, da wir alle unseren Stil und unsere Art zu arbeiten gefunden haben, wodurch Einflüsse von außen hinfällig werden.


Hört ihr zwischendurch auch mal anderes an Musik oder gehts Privat genauso Depressiv zu wie in euren Songs?

Wer ernsthaft denkt wir sind fünf Trübsal blasende Typen, die tagein tagaus scheiße gelaunt sind oder gar mit Depressionen kämpfen, der kennt Black Metal wohl nur von sensationsgeilen abschreckenden TV Reportagen oder gehört zu den paar minderbemittelten Spinnern, die jedes Band-Image wirklich 1:1 in die Realität übernehmen. Soll nicht heißen, dass unsere Songs nicht authentisch sind, ganz im Gegenteil: Die negativen Aspekte und Erfahrungen unseres Lebens verarbeiten wir als Ventil in unseren Werken. Dieser „therapeutische“ Effekt macht es einfacher im Alltag ein ausgeglicheneres Leben zu führen. Ich kaufe 99% aller satanischen Bands oder Pagan Bands ihre Inhalte nicht ab, wir konzentrieren uns lieber auf Themen, die uns wirklich bewegen, scheiß auf Genre-üblichen Trendmüll!
Was unseren persönlichen Musikgeschmack betrifft:Wir sind fünf Menschen mit sehr offenen, teils sehr verschiedenen Geschmäckern. So würden sich auf einem Mix-Sampler aller Mitglieder wohl Songs von Crust-Punk über Psychedelic Rock, 80er Pop, 90er Techno, moderner Klassik, alten Filmsoundtracks bis hin zu Classic Rock/Hardrock und Death/Thrash/Heavy/Speed/Doom/Black Metal alles mögliche wiederfinden. Ich mag zB grundsätzlich melancholisch ausgerichtete Musik, habe allerdings auch so meine Ausreißer in sehr unerwartete Gebiete!


Bei eurem zweitem Album "kategorie:tot", welches 2012 rauskam, ging es musikalisch etwas zügiger jedoch immernoch melancholisch voran. Wir haben 3 Jahre gewartet bis wir wieder etwas neues auf die Ohren bekommen haben. Wie kam es zu dieser langen Wartezeit?

Naja das erste Album kam in der letzten Woche des Jahres 2009, so gesehen waren es schon mal keine 3 Jahre. Dazu kam, dass kurz nach den Aufnahmen zu „Emotionale Endstation“ der bisherige Songwriter Hrodgar die Seegel strich und ich als neuer Gitarrist das kreative Ruder übernahm, da benötigte es natürlich einige Zeit sich aufeinander ideal einzustellen. Nachdem ca. zwei Drittel des Materials für das zweite Album stand legten wir bewusst eine Songwriting-Pause ein um danach das Ganze mit etwas mehr Abstand und anderen Augen zu betrachten, wodurch viele Details noch verfeinert werden konnten und in diesem Zug auch die restlichen Songs geschrieben wurden.
Nachdem wir Ende Oktober/Anfang November „kategorie:tot“ in den AMP Studios in Duisburg im Kasten hatten wurde in der darauffolgenden Woche damit begonnen das Studio innerhalb der Stadt in ein neues Gebäude zu übersiedeln, wodurch es viele Wochen dauerte bis unser Produzent die Zeit und nötige Ruhe fand das Album zu mixen und letztendlich zu mastern. Diese unglücklichen Umstände verzögerten das Release Datum zusätzlich um fast ein halbes Jahr, das Album erblickte dann zum Glück noch rechtzeitig vor der Festival-Saison das Licht der Welt und wir arbeiten seither nereits hart am Nachfolger, welcher im September dieses Jahres eingespielt werden wird!


Black Metal ist vielseitig und weit gestrickt. Es gibt viele Fans, die den DSBM für sich interpretieren und ihre ganz eigenen Resultate aus euren Songs ziehen. Ihr verarbeitet mit dieser Musik eure ganz persönlichen Geschichten. Der Tot, sowie Leid und Schmerz werden hierbei angesprochen. Gibt es hinter jedem Song eine eigene kleine Geschichte oder sind die Titel der Songs frei herbeigezogen?

Wir werden seit Jahren nur im Netz und von manchen Medien als DSBM oder ähnliches bezeichnet, wohl wegen des Bandnamens. Ich persönlich empfinde die meisten Bands, welche in diese Schublade gesteckt werden oder sich als DSBM verkaufen, als einfallslos, langweilig und kurz gesagt scheiße und erkenne sehr sehr wenige parallelen zu unserer Musik, daher finde ich es ziemlich unangebracht uns in diese Ecke zu drängen!
Thematisch geht es genau betrachtet selten um den Tod an sich, sondern um das Leben VOR dem Abgrund. Wer auf “kategorie:tot” suizidale Inhalte vermutet täuscht sich gewaltig, da die Gesamtstimmung vor allem fremdaggressiv ausgerichtet ist. Die Gesellschaft bietet sowohl in der Mikro- als auch Makro-Perspektive sehr viel Konflikt- und Aggressionspotenzial sowie Sackgassen, die dich in die Irre führen können. Wenn man da versucht klar zu denken muss man an sehr vielen Dingen die Schuld zu großen Teilen an anderen suchen, warum also die Klinge gegen sich selbst richten?
Jeder Song hat seine eigene Geschichte und seinen eigenen Hintergrund, großteils mit Bezug auf Erfahrungen unserer Bandmitglieder oder ihrem nahen Umfeld. Wir haben jedoch die Songs in einer Reihenfolge aufgestellt, in der sie alle zusammen die Geschichte bzw den Verfall einer fiktiven Hauptfigur inmitten unserer Gesellschaft dokumentieren!
In den Songs “kategorie:tot” und “gehasst.gestört.geläutert.” kämpft man im Alltag, im Berufsleben und dem öffentlichen Leben mit Abstoßung und Ignoranz, resultierend daraus, dass man anders ist und nicht mit dem Strom schwimmen möchte, wodurch man schnell zum Außenseiter wird.
“Schlaflos” behandelt, wie der Name schon sagt, entstehende Schlafprobleme, ein weit verbreitetes, unterschätztes und auch oft totgeschwiegenes Problem in der heutigen Zeit.
Ohne Anerkennung und Lebensinhalt entsteht unweigerlich eine “Innere Leere”. Diese versuchen viele durch Alkohol, einen exzessiven Lebensstil und/oder Drogenkonsum zu kompensieren, sie verabreichen sich sozusagen eine “Überdosis Leben”.
Dies entwickelt sich wie eine Krankheit (“III4II8II”) und die Spirale nach unten dreht sich weiter und weiter zu immer extremeren Zuständen und Substanzen, man ist sich nichts mehr wert und schreckt sogar vor zerstörerischen Mitteln wie “Desomorphin” nicht mehr zurück. In kurzen klaren Momenten machen viele Gott und die Welt für ihr Elend verantwortlich (“Abrechnung”), nur nicht sich selbst... bis es zu spät ist. “Unausweichlich”.
Viele verlieren den Verstand und die Gesellschaft sperrt diese Menschen lieber weg, da sie ohnehin unrettbar scheinen. Diese Einlieferung und psychische Hinrichtung wurde in “Anstalt.FM” vertont. Am Ende bleibt ein Mensch, den nichts mehr erwartet als der Tod, der sich selbst vor dem Spiegel nicht mehr erkennt, niemanden mehr hinter sich hat und eine Nummer anstelle seines Namens trägt, er endet “Namenlos”.

Natürlich ist diese Abhandlung nur eine von vielen möglichen Extremfällen und Einzelschicksalen, und jeder Song für sich betrachtet lässt auch andere Interpretationen offen, dies ist jedoch mein detailierter Hintergedanke zum Album “kategorie:tot”.

Vielen Dank das ihr euch die Zeit genommen habt, mir einige Fragen zu beantworten. Ich bin gespannt, was in Zukunft auf uns zu kommt!